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Der Fischer und seine Frau 555

Märchentyp AT: 555
Grimm KHM: Von dem Fischer und seiner Frau 19


Ein Fischer fängt einen Goldfisch und erhält das Recht, sich drei Dinge zu wünschen, wenn er den Fisch wieder freilässt. Manchmal werden die Wünsche vom heiligen Petrus bewilligt, zu dem der Mann auf einer in den Himmel wachsenden Kohl- oder Bohnenpflanze kommt. Seine Frau wünscht zuerst eine bessere Wohnung, dann mehr und mehr, und zuletzt will sie Gottvater selbst werden, worauf sie wieder auf ihren alten Platz verwiesen wird.


Anmerkung

Das Märchen ist wahrscheinlich in Flandern zu Hause, mit dem freigelassenen Goldfisch als Einleitungsmotiv und Namen wie Timpelteen, Sooze-Grille und Hillebill für den Fischer und seine Frau. Die allgemein bekannten Wunschverse haben ursprünglich Dialogform gehabt, indem der Fischer den Fisch ruft (Vissje, Vissje, Buttje, Buttje oder dgl.) und dieser antwortet: Visschertje, Visschertje oder Mandje, Mandje (Männchen, Manneken, mijnhere). Timpeltee(n), Timp(l)tee(n) usw. ist der Name des Mannes, und die Schlussworte lauten: "will nich so, as ik woll will".

In Frankreich und Italien tritt in der Regel der heilige Petrus als Gabenspender auf, und die in den Himmel wachsende Pflanze dürfte aus einem Lügenmärchen (siehe 852 und 1960) oder von dem im nördlichen Frankreich häufigen 563 (Tischlein deck dich) genommen sein. Gegen Osten und besonders im slawischen Sprachgebiet begegnen wir einem Baum oder einem goldenen Vogel als Gabenspender. Es gibt jedoch einen Sondertyp, bestehend aus einer Gruppe östlicher Varianten in der Sowjetunion, in Rumänien, den baltischen Ländern, Finnland und im nördlichsten Schweden. In diesem Typ ist ein Baum der Gabenspender, und in der Regel bildet ein Verwandlungsmotiv gleich dem in 751A (Die gierige Bauersfrau, die verwandelt wurde) den Schluss.

Der Fischer und der losgelassene Fisch erinnern an die Erzählung vom Geist und vom Fischer in Tausendundeiner Nacht und können aus der Literatur hineingekommen sein.

Der Gedankengang des Märchens: "Wer alles will, verliert alles" ist jedoch allgemein menschlich. Wir finden ihn u.a. in einem unserem Märchen sehr nahestehenden altfranzösischen Gedicht über den Zauberer Merlin, der einem armen Teufel von Holzhacker Geld und Ehren gibt, ihn aber wegen seiner immer mehr gesteigerten Ansprüche in seine frühere Armut zurückverweist. Eine ähnliche Erzählung, in der der Ungenügsame König und König der Könige werden will, wurde von einem englischen Mönch um 1250 niedergeschrieben.


Literatur

Derungs, K.: Archaische Naturmotive in den Zaubermärchen. In: Die ursprünglichen Märchen der Brüder Grimm. Bern 1999.
Rölleke, H.: Von dem Fischer un syner Fru. In: Fabula 14, 1973. p. 112-123.
Rölleke, H.: Der wahre Butt. Köln 1978.
Rommel, M.: Von dem Fischer un syner Fru. Heidelberg 1935.
Steig, R.: Machandelboom und Fischer un syne Fru. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen 55, 107. 1901, p. 279-300.


Märchen

>> Das grosse Buch der Zaubermärchen


Hinweise

Zusammen mit KHM 47 "Machandelboom" von dem aus Wolgast gebürtigen Maler Philipp Otto Runge (gest. 810) in pommerscher Mundart aufgezeichnet. Die Brüder Grimm erhielt das Märchen 1809 durch Achim von Arnim.

In Hessen hörten die Brüder Grimm die Fabel unvollständiger, aber mit einigen Abänderungen als das Märchen vom Männchen Domine (sonst auch von Hans Dudeldee) und Frauchen Dinderlinde (wohl von Dinderl, Dirne?) durch Frau Wild in Kassel erzählen. Domine klagt über sein Unglück und geht hinaus an den See; da streckt ein Fischchen den Kopf hervor und spricht: Was fehlt dir, Männchen Domine? Ach dass ich im Pispott wohn, tut mir so weh. So wünsch dir was zu haben! Ich will’s nur meiner Frau erst sagen. Er geht heim zu seiner Frau und fragt, was er wünschen solle.

In den Kindermärchen von Albert Ludwig Grimm (Heidelberg 1808 S. 77) kommt es gleichfalls, doch in Prosa, vor. Der Fischer Hans Dudeldee wohnt mit seiner Frau in einem Bretterhaus und ist so arm, dass sie keine Fenster haben, sondern durch ein Astloch schauen müssen. Er bittet bei dem Fischlein erst um ein Haus und so fort, bis er Kaiser ist; zuletzt verlangt er, dass er Regen und Sonnenschein machen könne, wie Gott, da sitzt er wieder im Bretterhaus, und sie schauen zum Astloch heraus.

Aus dem Elsass "Mann und Frau im Essigkrug" (rufen ein Goldvöglein an). Aus Schlesien "Die Leute im Bunzeltopfe" (Fischlein, Fischlein in dem See). Aus der Ukermark "De Kossät un siine Frau" (Dundeldee in der Federtonne. "Hechtke, Hechtke in de See"). Aus Pommern "Die Fischer un syne Fruu" (Düffelkee und Ilsebill im Pisspott. "Haektke, Haektke in dei See"). Aus Dünkirchen: Pier und Mitte pflanzen eine gefundene Bohne, Pier klettert an der Bohnenranke zur Himmelstür empor und bringt seiner Frau Wünsche vor. Schliesslich werden beide in Eulen verwandelt. Wallonia "Coufi-Coufou" (unzufriedene Frau und Gott). Aus Friesland "Bouwe-oom en Antje-moei" (im Aschentopf; der Fisch heisst Pietermann).

Isländisch: Hier verlangt der Mann für den von seiner Frau vermissten goldenen Knopf von dem Elben Kidhus im Hügel eine Kuh, eine Tonne Mehl und eine Leiter, um der Jungfrau Maria Mehlbrei zu bringen, steigen beide auf der Leiter zum Himmel empor, stürzen aber von Schwindel erfasst aus der Höhe hinab und kommen um. Französisch "La petite fille dans un puits" (Kein Ehepaar, sondern ein Mädchen Oudelette, das an Gott immer mehr Wünsche richtet, zuletzt um einen Mann, und dann wieder im Brunnenloch erwacht.). "La petite souris" (Mäuschen statt Fisch). "La tige de fève" (der Mann pflanzt eine von einem Bettler erhaltene Bohne ein und kletter an der Ranke zum Himmelstor empor, beim letzten Wunsch stürzt er herab. Revue des trad. Pop. 10, 487 (die Frau will zuletzt, dass sie Jungfrau Maria und ihr Mann Gott wird; sie werden in Kauz und Eule verwandelt). "La petite sardine" (als die Frau bei einer Ausfahrt eine Bettlerin hochmütig abweist, wird ihr Wagen zu einem Kürbis, die Pferde zu Flöhen, und das unzufriedene Paar endet in Armut.)

In Italien klettert der Mann wie in den meisten französischen Erzählungen an einer Bohnen- oder Kürbispflanze in den Himmel und trägt dort seine Wünsche vor; so "La fava fatata". Rumänisch: der Spender ist ein Baum oder der Herrgott. Polnisch: St. Michael spricht aus der zu fällenden Birke; das Ehepaar in Bären verwandelt. Tschechisch: Goldköpfiger Vogel. Wendisch: "Vom armen Manne, der die vielen Kinder hat" (klettert auf einer Eiche zu Petrus hinauf). Grossrussisch: "De inhalige oudevrouw" (ein Baum spendet; die Eheleute werden in Bären oder Hunde verwandelt). Aus Wologda: Aus dem Baum, den der Bauer fällen will, springt ein goldköpfiger Kater heraus. Ist nicht die Frau, sondern der Mann der ewig Unzufriedene.

Das kleinrussiche Märchen beginnt wie der Gevatter Tod (KHM 44); nach der Taufe führt der Gevatter den Armen zu einer Eiche, aus deren Loch Weizen wie Gold in des Armen Sack fliesst; als dessen Wünsche steigen, wird er zuletzt Herrgott, unter der Bedingung, dass er niemanden verurteilen soll, wie er aber gleich Abraham in der alten Legende eingreift, wird er nebst den Seinen in Bären verwandelt. Litauisch "Von dem alten Mann, der Herrgott werden wollte" (ein Baumstumpf, den der Mann prügelt, weil er über ihn gefallen ist, erfüllt seine Wünsche). Estnisch "Der zaubermächtige Krebs und das unersättliche Weib". In einer Erzählung der Schwarzwald-Tartaren schlägt der Alte einen Baumstumpf, aus dem eine wundertätige Katze herauskommt; die Frau fehlt.

Man erkennt leicht, dass diese Erzählungen sich in zwei Gruppen sondern; in der einen, die besonders bei den germanischen und slavischen Stämmen, aber auch in Frankreich und Spanien verbreitet ist, gewährt ein gefangener Kobold in Fischgestalt (bei den Russen, Litauern und Tataren ist es ein Baumstumpf, bisweilen ein Kater, Fuchs, Vogel oder ein Heiliger; bei den Isländern, wo zugleich die Himmelsleiter erschient, ein Elbe) drei oder mehr Wünsche, bei den Franzosen und Italienern dagegen erfüllt zumeist der Herrgott oder der Himmelspförtner, zu dem der armen Mann an einer himmelhohen Bohnenranke hingelangt, wiederholte Bitten desselben. An den Eingang der ersten Gruppe erinnert die Erzählung vom Fischer und vom Geist in der Flasche in der 1001 Nacht und die wallisische Sage von dem wahrsagenden Barden Taliesin, der als Kind im Sack am Weiher ausgesetzt und von Elphin gefunden wird. Auch Merlin lässt den verzweifelnden Holzhauer in einem altfranzösischen Gedicht einen Schatz heben, zum Amtmann werden und an seinen Kindern Freude erleben, stösst jedoch den Unverschämten zuletzt wieder in die anfängliche Armut zurück.

Uralt ist der den meisten Fassungen eigne Zug, dass die Frau ihren Mann zu hohen Würden reizt, von der Eva und der etrurischen Tanaquil (Livius 1, 47) an bis zur Lady Macbeth. Von dem grossen Kreise der unvernünftigen Wünsche scheidet unser Märchen der besondere Umstand, dass die Unersättlichkeit der Frau alle bisher empfangenen Glücksgaben nichtig macht und die frühere Dürftigkeit zurückführt. Auf andre Art wird der mit seinem Los unzufriedene Steinhauer in einem sinnvollen japanischen Märchen, das auch anderwärts bekannt ist und an die Stufenfolge der stärksten Dinge anknüpft, durch einen Berggeist belehrt, dieser erfüllt seinen Wunsch, reich und mächtig zu werden, und verwandelt ihn, da er Sonne, Wolke und Fels beneidet, auch in diese Naturwesen; als Fels aber sieht er einen Steinhauer, der eiserne Keile ins Gestein treibt und grosse Stücke losbricht und begehrt wieder zu sein, was er war.


Variantenverzeichnis

>> Märchen-Suchdienst

Mann und Frau im Essigkrug. Bechstein/Deutschland 55
Von dem Fischer und seiner Frau. Grimm/KHM 19


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