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Das Märchen von der Padde

 

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Es lebte aber auch damals eine alte Frau, die hatte nur ein Töchterlein, welches Petersilie hiess.

Der König schickte seine Söhne aus, um sich in der Welt umzusehen, seine und fremde Lande kennenzulernen, um so weise genug zu werden, dereinst ihr Erbteil beherrschen zu können.

Die alte Frau aber lebte stille und eingezogen mit ihrem Töchterlein, das den Namen davon hatte, dass es Petersilie lieber als alle andere Speise ass, ja einen rechten Heishunger darnach hatte. die arme Mutter hatte nicht Geld genug, immer und immorfort Petersilie für die Tochter zu kaufen, und es blieb ihr daher nichts übrig, da das Töchterlein gar zu schön war und sie auf keine Weise ihrer Schönheit nachteilig sein wollte, als nächtlich aus dem Garten des gegenüberliegenden Junfrauenklosters die schönsten Petersilienwurzeln zu entwenden und das Töchterchen damit zu füttern. Das Gelüst der schönen Petersilie war nicht unbekannt, ebensowenig blieb der Diebstahl verborgen, und die Äbtissin war über ihre schöne Nachbarin nicht wenig erzürnt.

Die drei Prinzen kamen auf ihrer Wanderung auch in das Städtlein, wo Petersilie mit ihrer Mutter wohnte und gingen gerade durch die Strasse, als das schöne Mägdlein am Fenster stand und ihre langen, wunderprächtigen Haare kämmte und flocht. Entündet von Liebe, stieg in einem jeden der Wunsch auf, die Schöne zu besitzen, und kaum war der Wunsch über die Lippen gekomnmen, als auch ein jeglicher, in blinder Eifersucht, seinen Säbel zog und auf seinen brüderlichen Mitbewerber losging. Der Kampf ward nicht wenig heftig, auch die Äbtissin trat an die Pforte, und kaum hatte die fromme Frau gehört, dass ihre Nachbarin die Ursache sei, als aller Grimm, früher und späterer, sich in ihr zu der Verwünschung sammelte: Sie wünschte, dass Petersilie in einen hässlichen Frosch verwandelt würde und unter einer Brücke am entferntesten Ende der Erde sässe.

Kaum ausgesprochen, ward Petersilie ein Frosch und war verschwunden. Die Prinzen, die nun keinen Gegenstand des Kampfes hatten, steckten ihre Degen ein, umarmten sich wieder brüderlich und zogen heim zu ihrem Vater.

Der alte Herr merkte indes, dass er stumpf und schwach in den Regierungsgeschäften ward, und wollte daher das Reich abtreten, aber wem? Dazu konnte sich sein väterliches Herz nicht entschliessen, unter den drei Söhnen zu wählen. Das Schicksal sollte es bestimmen, und er liess sie daher vor sich kommen.

"Meine lieben Kinder", sprach er, "ich werde alt und schwach und will meine Regierung niederlegen, kann mich aber nicht entschliessen, einen von euch zu wählen, da ich euch alle drei gleich zärtlich liebe und denn doch auch dem Besten und Klügsten von euch mein Volk übergeben wollte. Ihr sollt mir daher drei Aufgaben lösen und wer sie mir löst, der soll mein Erbe sein. Das erste ist: Ihr müsst mir ein Stück Leinewand von hundert Ellen bringen, das man durch einen goldnen Ring ziehen kann."

Die Söhne verneigten sich, versprachen ihr möglichstes zu tun und machten sich auf die Reise. Die beiden ältesten Brüder nahmen viel Gefolge und viele Wagen mit, um alle die schöne Leinewand, die sie finden würden, aufzuladen, der Jüngste ging ganz allein. Bald kamen drei Wege, zwei lustig und trocken, der dritte düster, feucht und schmutzig. Die beiden älteren Brüder nahmen die beiden ersten Wege, der Jüngste nahm Abschied von ihnen und schlenderte den düstern Weg entlang.

Wo nur schöne Leinewand war, besahen sie die älteren Brüder und erstanden sie, ihre Wagen krachten unter der Last, und wo nur irgend der Ruf sie hinwies, dahin eilten sie auch und kauften. Sie kehrten reich versehen zurück. Der Jüngste dagen ging mehrere Tagereisen auf seinem unwirtlichen Wege fort; nirgend wollte ihm ein Ort erscheinen, in dem er auch nur eine erträglich feine Leinewand gefunden, und so reiste er lange und ward immer missmutiger.

Einst kam er an eine Brücke, setzte sich an dem Rande nieder und seufzte recht tief über sein böses Schicksal. Da kroch eine missgestaltete Padde aus dem Sumpf hervor, stellte sich vor ihn und fragte, mit nicht ganz übertönender Stimme: was ihm den fehle?

Der Prinz, unwillig, antwortete: "Frosch, du wirst mir nicht helfen."

"Und doch", erwiderte der Frosch. "Sagt mir nur eure Leiden."

Nach mehrern Weigerungen erklärte endlich der Prinz die Ursache, warum ihn sein Vater ausgesendet habe.

"Dir soll geholfen werden," sagte die Padde, kroch in ihren Sumpf zurück und zerrte bald ein Läppchen Leinewand, nicht grösser als eine Hand und nicht eben zum saubersten aussehend, hervor, das sie vor den Prinzen niederlegte und ihm andeutete, das solle er nur nehmen. Der Prinz hatte gar keine Lust, ein so übel scheinendes Läppchen anzunehmen, doch lag etwas in den Zuredungen der Padde, das ihn bereitwillig machte, und er dachte: etwas ist doch besser als gar nichts, steckte daher sein Läppchen ein und empfahl sich dem Frosche, der mühsam sich wieder in das Wasser schob.

Je weiter er ging, je mehr merkte er zu seiner Freude, dass ihm die Tasche, in welche er das Läppchen gesteckt hatte, immer schwerer ward, und er wanderte daher mutvoll auf den Hof seines Vaters zu, den er auch in kurzem erreichte, als eben auch seine Brüder mit ihren Frachtwagen wieder anlangten.

Der Vater war erfreut, seine drei Kinder wieder zu sehen, zog sogleich seinen Ring vom Finger, und die Probe begann. Auf all den Frachtwagen war auch nicht eine Stück, das nur zum zehnten Teile durch den Ring gegangen wäre, und die beiden ältern Brüder, die erst ziemlich spöttisch auf ihren Bruder, der ganz ohne alle grosse Vorräte gekommen war, sahen, wurden ziemlich kleinlaut. Wie war ihnen zu Mute, als er aus seiner Tasche ein Gespinnst zog, das an Zartheit, Feinheit und Weisse alles übertraf, was man je gesehen hatte. Es wallte in glänzenden Lagen und ging nicht allein höchst bequem durch den Ring durch, man hätte wohl noch ein Stück zu gleicher Zeit durch den Ring ziehen können, und dennoch gab das Mass richtige hundert Ellen.

Der Vater umarmte den glücklichen Sohn, befahl die unbrauchbare Leinewand ins Wasser zu werfen, und sagte dann zu seinen Kindern: "Nun, ihr lieben Prinze, müsst ihr die zweite Forderung erfüllen. Ihr müsst mir ein Hündlein bringen, das in eine Nussschale passt."

Die Söhne waren über eine so wunderbare Aufgabe nicht wenig erschrocken, aber der Reiz der Krone war zu gross, sie versprachen auch dies zu erfüllen zu suchen, und wanderten nach wenig Tagen Ruhe wieder aus.

Am Scheidewege trennten sie sich; der Jüngste ging seinen feuchten, unscheinbaren Weg, er hatte schon bei weitem mehr Mut. Kaum hatte er einige Zeit an der Brücke gesessen und wieder geseufzet, so kroch auch die Padde wieder hervor, setzte sich ihm, wie das erstemal, gegenüber, öffnete den weiten Mund und fragte: was ihm denn fehle?

Der Prinz setzte diesmal keinen Zweifel in die Macht der Padde, sondern gestand ihr gleich sein Bedürfnis.

"Dir soll geholfen werden", sagte wiederum die Padde, kroch in den Sumpf und brachte ein Haselnüsslein hervor, legte sie ihm vor die Füsse, sagte ihm, er solle sie nur mitnehmen und seinen Herrn Vater bitten, die Nuss sauber aufzuknacken, das andere würde er schon sehen. Der Prinz ging vergnügt fort, und die Padde schob sich wieder mühsam in das Wasser hinab.

Daheim waren die Brüder auch schon zu gleicher Zeit angekommen und hatten eine grosse Menge sehr zierlicher Hündlein mitebracht. Der alte Vater hatte eine beträchtliche grosse Walnussschale bereit und schob jedes Hündlein hinein, aber die hingen bald mit den Vorderfüssen, bald mit dem Kopf, bald mit den Hinterfüssen, bald ganz über die Walnussschale fort, so dass gar nicht daran zu denken war, dass ein Hündlein hineingepasst hätte.

Als nun kein Hund mehr zu proben übrig war, überreichte der Jüngste mit einer zierlichen Verbeugung dem Vater seine Haselnuss und bat, sie auf das behutsamste aufzuknacken. Kaum hatte der alte König es getan, als aus der Haselnuss ein wunderkleines und niedliches Hündlein sprang, das gleich auf der Hand des Königs umher lief, mit dem Schwänzlein wedelte, ihm schmeichelte und gegen die andern auf das zierlichste bellte.

Die Freude des Hofes war allgemein. Der Vater umarmte wieder den glücklichen Sohn, befahl abermals, die andern Hunde in das Wasser zu werfen und zu ersäufen, und sagte dann zu seinen Söhnen: "Liebe Kinder, die beiden schwierigsten Bedingnisse sind nun erfüllt. Hört nun mein drittes Verlangen: Wer die schönste Frau mir bringt, der soll mein Erbe und Nachfolger sein."

Die Bedingung war zu nahe, der Preis zu reizend, als dass die Prinzen nicht sogleich, jeder auf seinem gewohnten Wege, wieder hätten aufbrechen sollen.

Dem Jüngsten war diesmal gar nicht wohl zu Mute. Er dachte: alles andere hat der alte Frosch wohl erfüllen können, aber nun wirds vorbei sein, wo wird er mir ein schönes Mädchen und noch dazu das schönste herschaffen können? Seine Sümpfe sind fern und breit menschenleer, und nur Kröten, Unken und anderes Ungeziefer wohnen dort. Er ging indessen doch fort und seufzte diesmal aus schwerem Herzen, als er wieder an der Brücke sass.

Nicht lange darnach stand die Padde wieder vor ihm und fragte: was ihm fehle?

"Ach, Padde, diesmal kannst du mir nicht helfen. Das übersteigt deine Kräfte."

"Und doch", erwiderte der Frosch. "Sagt mir nur euer Leiden."

Der Prinz entdeckte ihm endlich seine neuen Leiden.

"Dir soll geholfen werden", sagte wieder der Frosch. "Gehe du nur voran, die Schöne wird dir schon folgen, aber du musst über das, was du sehen wirst, nicht lachen."

Darauf sprang er, wider seine Gewohnheit, mit einem herzhaften Sprunge weit in das Wasser hinein und verschwand.

Der Prinz seufzte wiederum recht tief, stand auf und ging fort, denn er erwartete nicht viel von dem Versprechen. Kaum hatte er einige Schritte gemacht, so hörte er hinter sich ein Geräusch. Er blickte sich um und sah sechs grosse Wasserratzen, die, in vollem Trabe, einen Wagen von Kartenpappe gemacht hinter sich herzogen. Auf dem Bocke sass eine übergrosse Kröte als Kutscher, hinten auf standen zwei kleinere Kröten als Bediente und zwei bedeutend grosse Mäuse, mit stattlichen Schnurrbärten, als Heiducken. Im Wagen selbst aber sass die ihm wohlbekannte dicke Padde, die, im Vorbeifahren, etwas ungeschickt, aber doch möglichst zierlich, ihm eine Verbeugung machte.

Viel zu sehr in Betrachtrungen vertieft von der Nähe seine Glückes, und wie ferne er nun sei, da er die schönste Schöne nicht finden würde, betrachtete der Prinz kaum diesen lächerlichen Aufzug, noch weniger hatte er gar Lust zu lachen.

Der Wagen fuhr eine Weile vor ihm her und bog dann um eine Ecke. Wie war ihm aber, als bald darauf um dieselbe Ecke ein herrlicher Wagen rollte, gezogen von sechs mächtigen, schwarzen Pferden, regiert von einem wohlgekleideten Kutscher und in dem Wagen die schönste Frau, die er je gesehen und in der er sogleich die reizende Petersilie erkannte, für die sein Herz schon früher entbrannt war. Der Wagen hielt bei ihm stille. Bediente und Heiducken, aus der Tiergestalt entzaubert, öffneten ihm den Wagen, und er säumte nicht, sich zu der schönen Prinzessin zu setzen.

Bald kam er in der Hauptstadt seines Vaters an, mit ihm seine Brüder, die eine grosse Menge der schönsten Frauen mit sich führten, aber als die vor den König traten, erkannte sogleich der ganze Hof der schönen Petersilie den Kranz der Schönheit zu.

Der entzückte Vater umarmte seinen Sohn als Nachfolger, und seine neue Schwiegertochter. Die anderen Frauen wurden aber alle, wie der Leinewand und den Hündleinen geschehen war, ins Wasser geworfen und ersäuft.

Der Prinz heiratete die Prinzessin Petersilie, regierte lange und glücklich mit ihr, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.

 

Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, Nr. 60. (AT 402, Deutschland)


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